Das Extremwetter und die Immobilie(n)

Nachhaltigkeit und nachhaltiges Bauen sind derzeit „modern“ und angesagt. Zahlreiche Veranstaltungen, Seminare, Weiterbildungen, Normen und Richtlinien etc. scheinen dies zu belegen. Auch der Gebäudebetrieb ist im Rahmen des „Lebenszyklusgedanken“ selbstverständlich ein aktiver Teilnehmer bei einer Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens, auch wenn wesentliche Festlegungen bereits in der Planungs- und Bauphase getroffen werden und somit auch der „Footprint“ der Immobilie als solches. Bauordnungen und Verordnungen begleiten dies, machen sicherheitsrelevante Vorgaben und geben Mindeststandards vor.

In den vergangenen Jahren kam es in Deutschland und Europa immer wieder zu extremen Wetterereignissen, vielfach dabei auch historisch und in deren Auswirkungen bislang oft unbekannt. Die Gründe hierfür finden sich nach derzeitigen Erkenntnissen sehr wahrscheinlich in einem kausalen Zusammenhang von Ursache und Wirkung wieder:

Die insgesamt fehlende Nachhaltigkeit, insbesondere seit Beginn der industriellen Revolution, ist die Ursache für den daraufhin einsetzenden Klimawandel, dem, zeitlich verzögert, zunehmende Unwetter und Extremwetterereignisse folgen.

Der Elektrotechniker würde in der vorgenannten Darstellung wahrscheinlich einen Regelkreis erkennen, dessen Stabilität offenbar Schwächen zeigt. Es besteht die Gefahr, dass die Regelabweichungen durch den Regler nicht mehr ausgeregelt werden können und die auftretenden Regelgrößen zunehmende (und fortlaufende) Zerstörungen bewirken.

Würde dies nicht schon ausreichen, spielt nun auch noch die geopolitische Lage verrückt und erhöht damit ganz automatisch weiter den Druck auf die Immobilie, insbesondere auch in energietechnischen Belangen. Und dies natürlich auch unabhängig von der bereits jetzt schon vorhandenen (umfangreichen) Komplexität in Bau und Betrieb aufgrund von Vorgaben, Verordnungen und Zielsetzungen.

Oder sind die Prognosen zum Aufkommen  extremer Wetterereignisse vielleicht tatsächlich eher zu vernachlässigen und mit den derzeitigen Anforderungen und Festlegungen ist bereits eine ausreichende Vorsorge getroffen? Die Sensibilisierung und das Bewusstsein für dieses Thema sind in den vergangenen Jahren sukzessive gewachsen, auch unter Risikogesichtspunkten, so dass weitergehende Ausführungen hierzu von Vorteil sein dürften. Es folgen daher erst einmal Erläuterungen von einigen Begrifflichkeiten zum Thema.

Begriffe der Nachhaltigkeit und der Wetterereignisse

Die Nachhaltigkeit als Begriff bzw. Bezeichnung ist lt. bisheriger Erkenntnis eine deutsche „Erfindung“ aus dem 18. Jahrhundert und stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Die Umsetzung der Nachhaltigkeit auf die (seinerzeitigen) Belange der Forstwirtschaft ermöglichte eine kontinuierliche Nutzung von Ressourcen und eine weitgehende Aufrechterhaltung von Klimafaktoren in einer Region und an einem Standort (Regionalklima, Lokalklima, Mikroklima). Neben den Vorteilen für die Entwicklung der Menschen vor Ort kam eine nachhaltige Forstwirtschaft insbesondere der Flora und Fauna zugute und gab somit den dortigen Lebewesen eine Form von „Planungssicherheit“.

Die allgemeine Definition der Nachhaltigkeit lautet gem. Wikipedia wie folgt:

„Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip bei der Nutzung von Ressourcen. Hierbei soll eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung gewährleistet werden, indem die natürliche Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme bewahrt wird, vor allem von Lebewesen und Ökosystemen.“

Zu dem Begriff „Nachhaltiges Bauen“ findet sich z. B. bei Wikipedia ebenfalls ein umfangreicherer Eintrag, auch auf den Webseiten des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sind dazu Ausführungen und Informationen vorhanden. Dazu ist in den vergangenen Jahren ein Leitfaden für Nachhaltiges Bauen entstanden und fortgeschrieben worden. Das Vorwort des Leitfadens zur 3. Auflage aus dem Jahr 2019 spricht von der Notwendigkeit zur Umsetzung von aktuellen politischen Zielsetzungen und bezieht sich dabei auf die wesentlichen Punkte. Zitat: „Es geht dabei um Fragen zum umwelt- und klimagerechten Bauen, zur gebotenen Energie-, Ressourcen- und Kosteneffizienz oder auch zu den Anforderungen der demographischen Entwicklung.“

Letztlich hielt der Begriff der Nachhaltigkeit über die Forstwirtschaft hinaus, insbesondere auch ab den 1970er Jahren, Einzug in andere „Lebensbereiche“, u. a. ausgelöst durch Veröffentlichungen wie z. B. „Die Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome 1972) oder auch „Faktor Vier“ (Weizsäcker, Lovins, Lovins 1995).

Nun noch kurz zur Definition der Wetterereignisse.

Ein „Extremwetter“ ist ein Wetterereignis, das an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Jahreszeit selten, d. h. außergewöhnlich ist. Ein „Unwetter“ ist ein Sammelbegriff zur Bezeichnung von unterschiedlichen Extremwetterereignissen, wie z. B. Sturm/Windböen, Gewitter, Stark-/Dauerregen etc.

Auszüge bisheriger Recherchen zum Themenbereich

Im Zuge der Verdeutlichung der Auswirkungen des Klimawandels, der Vorgaben zur Nachhaltigkeit sowie der anspruchsvollen Aufgaben bei der Energiebeschaffung und -erzeugung steht die Bau- und Immobilienwirtschaft vor großen Herausforderungen. Diese dürften zukünftig wahrscheinlich noch zunehmen, da die Auswirkungen durch „Unwetter“ und „Extremwetter“ auf die Bereiche Bau und Immobilien an Bedeutung gewinnen dürften und in den derzeitigen Arbeitsprozessen i. W. noch nicht berücksichtigt sind. Beispielhaft kann die Entwicklung dieses Themas wahrscheinlich mit der zunehmenden Bedeutung des Brandschutzes verglichen werden, die ja ursächlich auf vergangene Schadenereignisse zurückzuführen ist, wie z. B. den Flughafenbrand in Düsseldorf 1996. Ein (kurzer) Blick über den Tellerrand könnte daher durchaus von Vorteil sein. Begrenzte Recherchen dazu kommen zu folgenden Ergebnissen:

In dem von der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht (BaFin) im Januar 2020 veröffentlichten Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken werden Extremwetterereignisse konkret als physische Risiken sowie physische Risikotreiber klassifiziert und wie folgt beschrieben:

„Physische Risiken ergeben sich sowohl im Hinblick auf einzelne Extremwetterereignisse und deren Folgen (Beispiele: Hitze- und Trockenperioden, Überflutungen, Stürme, Hagel, Waldbrände, Lawinen) als auch in Bezug auf langfristige Veränderungen klimatischer und ökologischer Bedingungen (Beispiele: Niederschlagshäufigkeit und –mengen, Wetterunbeständigkeit, Meeresspiegelanstieg, Veränderung von Meeres- und Luftströmungen, Übersäuerung der Ozeane, Anstieg der Durchschnittstemperaturen mit regionalen Extremen).“ Im Weiteren führt das Merkblatt der BaFin Folgendes aus (Zitat):

„Nachhaltigkeitsrisiken können in vielfältiger Weise die Produktivität und die Bewertung von Unternehmen der Realwirtschaft sowie den Wert von Immobilien und das Einkommen sowie Vermögen von Individuen beeinträchtigen.“ und

„…die als Sicherheit gestellten oder versicherten Immobilien oder Anlagen können beschädigt oder gar zerstört werden; es bestehen erhebliche Unsicherheiten über den Zeithorizont und das Ausmaß von Nachhaltigkeitsrisiken; die historische Datengrundlage zur Beurteilung künftig relevant werdender Nachhaltigkeitsrisiken ist unzureichend.“

Im Rahmen einer allgemeinen Empfehlung für ihre Klientel führt die BaFin wie folgt weiter aus:

„Beaufsichtigte Unternehmen sollten im Hinblick auf den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (und ggf. Chancen) entweder eine eigenständige Strategie entwickeln oder die bestehenden Strategien entsprechend anpassen.“

Auch die Versicherungsbranche hat dieses Thema zwischenzeitlich kommentiert. So fordert die VHV-Versicherung auf ihrer Webseite im Oktober 2023, dass zunehmende Extremwetterereignisse ein angepasstes Planen und Bauen erfordern. Eine Studie des IREBS der Universität Regensburg aus Oktober 2020 kommt zu dem Schluss, dass zukünftig verstärkt in die Widerstandsfähigkeit bzw. Resilienz von Gebäuden gegen Extremwetterereignisse investiert werden sollte.

Die Deutsche Bahn hat in einer Pressemitteilung aus dem Juni 2021 mit der Überschrift „Künftig mehr Extremwetter: DB stellt sich mit Resilienz-Strategie auf Klimafolgen ein“ einige Ergebnisse ihrer Studie vorgestellt. Grundlage der Studie sind Wetterdaten über den Zeitraum von 1961 bis 2020. Nachfolgend dazu ein kurzer Auszug (Zitat):

„Nach Einschätzung der Forscher:innen nehmen Hitzetage perspektivisch weiter zu – mit Schwerpunkten in den Regionen Mainz, Karlsruhe sowie Teilen Nordost-Deutschlands. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Eistage vor allem in den westlichen Regionen deutlich. Das PIK (Anmerkung: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) geht ferner davon aus, dass die südlichen Bundesländer sowie die Region Hagen – wie heute bereits zu beobachten ist – künftig mit am stärksten von Starkregen betroffen sein werden.“

Die Wupper verläuft i. W. süd-/südwestlich der Region Hagen. Einen Monat nach Veröffentlichung der Pressemitteilung der DB kam es hier zu der Flutkatastrophe.

Im Mai 2022 veröffentlichte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Broschüre zu klimaangepassten Gebäuden und Liegenschaften als Empfehlungen für Planende, Architektinnen und Architekten sowie Eigentümerinnen und Eigentümer. Darin heißt es u. a. (Zitat):

„Das Bauwesen zeigt gerade vor den aktuellen Klimafolgen wie Hitze, Starkregen, Hochwasser und auch Sturm seine Verletzbarkeit. Die Gefahren sind erkannt und werden in Veröffentlichungen des Weltklimarats (IPCC) Jahr für Jahr bestätigt. Der Bund entgegnet den Herausforderungen mit der Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Doch was bedeuten die erforderlichen Maßnahmen für das Bauen und Planen von Gebäuden und Liegenschaften? Gebäude, die wir heute planen und errichten, müssen – allein schon aus Gründen der Nachhaltigkeit – auch noch in 50 Jahren und mehr unter den dann vorherrschenden klimatischen Bedingungen funktionieren und zukünftigen Wetterextremen bestmöglich standhalten.“ Und weiter:

„Wir müssen lernen, besonders gefährdete und verletzbare Standorte und Gebäudeteile zu identifizieren und frühzeitig und gezielt Strategien der Anpassung zu entwickeln.“

Das Umweltbundesamt (UBA) weist bereits seit längerem auf die physischen Klimarisiken und ihre Auswirkungen hin. Aktuell (August 2023) hat das UBA eine Broschüre mit dem Titel „Über physische Klimarisiken sprechen“ herausgegeben, die sich insbesondere an Finanzinstitutionen wendet. Hier heißt es u. a. (Zitat):

„Physische Klimarisiken werden sich auf Unternehmen in der Realwirtschaft und deren Lieferketten auswirken. Hier können Beeinträchtigungen des laufenden Betriebs, der Produktivität oder eine Minderung der Vermögenswerte des Unternehmens auftreten. Wenn Unternehmen der Realwirtschaft aufgrund physischer Klimarisiken finanzielle Einbußen erleiden oder illiquide werden, betrifft dies auch ihre Kapitalgeber. Somit besteht das Risiko, dass physische Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzmärkte durchschlagen.“ Und weiter:

„Grundsätzlich nimmt die Wahrscheinlichkeit von Wetterextremen mit ansteigenden Durchschnittstemperaturen zu, zum Teil sehr deutlich. Bei Durchschnitts- und Extremtemperaturen sowie Hitzewellen, wie auch bei der Anzahl der Trocken- und Starkregentage, ist in den Wetteraufzeichnungen bereits heute ein klarer Anstieg bei den Messdaten zu erkennen.“

Das Fazit aus den Recherchen

Die überschlägigen Recherchen zeigen, dass das Thema bei Institutionen angekommen ist und einschlägige Hinweise und Empfehlungen bereits ausgesprochen worden sind. Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben kann um den Punkt der Extremwettertauglichkeit ergänzt werden. Eine weitergehende Betrachtung der Standortfaktoren sowie der Anlagen und Bauteile, wie z. B. Dach und Fassade, Entwässerung und Pumpensysteme, Blitzschutz und Überspannungsschutz, dürfte zukünftig von Vorteil sein. Dies kann in den Planungsprozess für Neu- und Umbaumaßnahmen integriert werden. Bei Bestandsimmobilien können erst einmal relevante Inspektionen weiterhelfen und ggf. bestehende Risiken transparent machen.

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