Die Bedeutung der frühen (Bau-)Phase

Bei steigenden Baukosten erhält zunehmend die Verdeutlichung möglicher „Synergieeffekte“ und „Optimierungspotenziale“ weitergehende Bedeutung. Eine Betrachtung der DIN 276 „Kosten im Bauwesen“ zeigt, dass die im Rahmen eines Bauprojekts anfallenden Kosten und auch Leistungen sehr differenziert und vielfältig sind. Im eigentlichen Bauprozess, also unter Berücksichtigung der baubezogenen Leistungen, bieten sich für das Aufspüren von Synergieeffekten und Optimierungen daher die Kostengruppen „Baukonstruktionen“, „Technische Anlagen“, „Außenanlagen und Freiflächen“ sowie „Baunebenkosten“ an. Jedoch ist hierfür zwangsläufig der mittlerweile vielfach übliche Projektablauf zu berücksichtigen.

Die Einkaufsabteilungen von Industrie und auch dem Handel erwiesen sich beim Heben von Synergien und „Optimierungen“ in der Vergangenheit oft als besonders kreativ. Aufgrund der Globalisierung und des zunehmenden Kostendrucks sind nicht nur Produktionseinheiten in das Ausland verlagert worden, zunehmend wurde ebenso auf der Einkaufsseite versucht, Volumen und damit oftmals auch Know-how zu bündeln, um bei Zulieferern günstigere Stückpreise zu erzielen. Unabhängig einer eingehenderen Betrachtung von Vor- und Nachteilen, z. B. dem Ausfall-/Lieferrisiko oder externer Abhängigkeiten, hat dieses Modell über Jahre meist recht gut funktioniert. Auch größere Bauunternehmen haben bereits vor vielen Jahren ähnlich reagiert, ihr Geschäftsmodell sukzessive angepasst und ihren Einkaufsabteilungen in der Vergangenheit eine wichtigere Bedeutung zukommen lassen. Die eigene Fertigungstiefe wurde deutlich reduziert und das Lieferantenmangement weiter optimiert. Je nach Überzeugung und Bauvorhaben wird eine mehr oder weniger umfassendere gewerkeorientierte Volumenbündelung betrieben. Weiterhin werden die Freiheiten des europäischen Binnenmarkts genutzt und ausländische Subunternehmer in der Bauwerkserstellung eingesetzt. Dabei agiert der Generalunternehmer oder Generalübernehmer selbst als „Third Party Management“ und hat sich von vielen rein gewerblichen Tätigkeiten komplett verabschiedet.

Die Vorgehensweise bei der Auftragsvergabe und Realisierung eines Bauvorhabens hat sich auf diese Abläufe seit Jahren eingestellt und läuft i. d. R. oft nach dem gleichen Schema ab. Nachdem wesentliche Grundzüge der Bauinvestition von der Bauherrenseite geklärt worden sind, wird meist auf Basis einer Vorplanung und bis dahin „größtmöglicher“ Qualifizierung und Quantifizierung ein Generalunternehmer gesucht, der alles Weitere umsetzen soll. Auf der Bauherrenseite verbleiben i. W. die originären bzw. üblichen Bauherrenaufgaben. Anschließend geht es an die Umsetzung der Baumaßnahme und dann zeigt sich oftmals recht schnell, wie gut und insbesondere ausreichend die Vorbereitungen bis zur Auftragsvergabe an den Generalunternehmer waren.

So hat z. B. der Rechnungshof Rheinland-Pfalz bereits in seinem Kommunalbericht 2018 auf die Verantwortung des (öffentlichen) Bauherrn hingewiesen und eine Stärkung der Bauherrenkompetenz gefordert. Als problematisch wurden vom Rechnungshof u. a. folgende Defizite auf Bauherrenseite angeführt:

  • Fehlende oder ungenügende Bedarfsermittlung
  • Unterschätzung technischer Risiken sowie mangelnde Risikoprävention
  • Fehlende oder mangelhafte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
  • Verfrühte Ausschreibungen auf Grundlage unzureichender Planungen
  • Mangelnde Überwachung der Leistungen von Auftragnehmern und fehlende Inspektionen
  • Unzureichende Verfolgung von Mängelansprüchen

Weiter heißt es in dem Bericht (Zitat):

„Vielfach wurden die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Investitions- und Folgekosten sowie der Wirtschaftlichkeit von Bauvorhaben, die in den frühen Projektphasen am größten sind, nicht (hinreichend) genutzt oder nicht erkannt. In diesem Stadium, in dem ca. 80 % aller der für ein Gebäude aufzuwendenden Kosten festgelegt werden, besteht nach Prüfungserfahrungen ein besonders hoher Bedarf an fachlicher Expertise.“

Ebenso wird ausgeführt (Zitat):

„Vor diesem Hintergrund sind vor allem Lösungsansätze geboten, die bereits den frühen Planungsprozess unterstützen, zu qualitativ hochwertigen Planungs- und Antragsunterlagen führen, eine baufachliche Prüfung enthalten und die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens gewährleisten.“

Weitere qualifizierte Lösungsansätze aus Sicht des Rechnungshofs sind:

  • Ordnungsgemäße Ermittlung des Bedarfs
  • Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
  • Prüfung von Alternativen
  • Entwicklung von Instandhaltungsstrategien

Aus meiner Sicht bringt der Rechnungshof mit den o. g. Feststellungen die Problematik sehr genau auf den Punkt. Infolgedessen sollte die derzeit überwiegende und gängige Praxis mindestens in der „Vorbereitung“ und frühen Planungsphase „novelliert“ werden. Dabei spielt der Bauherr mit seinen Vorgaben und Vorstellungen in der frühen Phase eine maßgebende Rolle, da er i. W. die Aufgaben und auch Vorgaben für die frühen Projektbeteiligten definiert.

Zur Erinnerung: Gem. Honorarordnung (HOAI) beginnen die eigentlichen Arbeiten zur Vergabe erst in der Leistungsphase 6 und zwar nach der Fertigstellung der Ausführungsplanung.

Somit sind unter Berücksichtigung einer derzeit oft üblichen Praxis zwangsläufig in der frühen Phase bzw. Vorbereitung für eine Vergabe entsprechende Konkretisierungen für Qualitäten, Quantitäten, Abläufe etc. erforderlich, damit das Projekt von Beginn an den Kurs hält. Bauherr und frühe Projektbeteiligte sollten daher noch vor der Durchführung einer üblichen Grundlagenermittlung eine konkrete Bedarfsplanung umsetzen und schriftlich fixieren. Abhängig von Größe und Komplexität des Projekts kann eine Ergänzung um das Leistungsbild „Value Engineering“, das sich i. W. mit der Suche nach optimalen Lösungsalternativen beschäftigt, sinnvoll sein. Dabei sollte die Bedarfsplanung neben den baulichen Anforderungen auch bereits die Prozessschritte (Workflow) der weiteren Abwicklung des Vorhabens näher definieren und auch (mögliche) Synergien im Hinblick auf Skalen-, Verbund- und Vergabeeffekte für die verschiedenen Projektabschnitte aufzeigen. Die so definierten Vorgaben sind dann im weiteren Verlauf verbindlich. Diese konkrete Bedarfsplanung dient als wesentliche Basis und Vereinbarung für die weiteren Projektbeteiligten, also Totalunternehmer oder Totalübernehmer, Generalunternehmer oder Generalübernehmer, Generalplaner oder Fachplaner. Auch in kleinerem Rahmen mögliche Synergieeffekte, wie z. B. die Bündelung von Tätigkeiten im Technischen Projektcontrolling und der Fachbauleitung Brandschutz, sollten dabei berücksichtigt werden.

Fazit:

Mithilfe einer disziplinierten und strukturierten Vorgehensweise kann ein Bauprojekt von Beginn an Kurs halten, wenn bereits in der frühen Projektphase und der Vorbereitung der Umsetzung Qualitäten, Quantitäten, Abläufe und mögliche Synergieeffekte vor einer Vergabe von Leistungen an planende und ausführende Unternehmen festgelegt werden. Dabei dürfte eine (zusätzliche) Berücksichtigung der Zeit nach der Baufertigstellung, also dem Betrieb bzw. der Nutzung, grundsätzlich von Vorteil sein.

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