Im baurechtlichen Sinn liegt eine Nutzungsänderung dann vor, wenn die Zweckbestimmung für die Immobilie bzw. bauliche Anlage von der bisher genehmigten Nutzung abweicht, wodurch die bisherige Funktion unter rechtlichen Bewertungsmaßstäben geändert wird. Hierfür muss die Immobilie nicht zwangsläufig umgebaut oder wesentlich verändert werden. Maßgebend sind die baurechtlichen Anforderungen an die neue Nutzung, auch wenn an der Immobilie selbst ggf. nur marginale Veränderungen vorgenommen werden (sollen).
Warum widme ich mich diesem Thema, das auf den ersten Blick vielleicht nicht besonders „spektakulär“ wirkt?
Nun ja, ich gehe davon aus, dass Nutzungsänderungen und zugehörige Schnittstellen wesentlich an Bedeutung gewinnen werden. Wahrscheinlich wird sich bei zukünftigen (Um-)Nutzungen von Bestandsimmobilien hier die Spreu vom Weizen trennen. Denn nicht alle Gebäude besitzen hierfür die nötige Flexibilität, unabhängig von der Größe und Lage. Und dies könnte für die langfristige Nutzung und Weiterentwicklung einer Immobilie von entscheidender Bedeutung sein.
Die in den vergangenen Jahren stattgefundene Flexibilisierung und Dezentralisierung der Arbeitswelt dürfte wahrscheinlich so schnell keinen Rückgang erleben. Individuelle und auf die jeweiligen Lebensbedürfnisse zugeschnittene Arbeitsformen sind für viele weiterhin das „non plus ultra“, vor allem für diejenigen, die als Arbeitsmittel i. W. Smartphone und Computer nutzen. Aufgrund der, wenn auch z. T. noch optimierungsbedürftigen schnellen mobilen Internetverfügbarkeit, wird auch der stationäre und leitungsgebundene Internetanschluss für dieses Arbeiten weniger wichtig werden. Ein „ständig besetzter“, zentraler Standort, z. B. in Form einer Büroimmobilie, ist immer öfters nicht zwingend erforderlich. Ausgenommen von einer weitgehenden örtlichen Ungebundenheit bleiben wohl i. W. Tätigkeiten in Industrie, Handwerk und auch stationärem Handel.
Ebenso dürfte in Unternehmen die Erkenntnis nachhaltig gewachsen sein, dass Arbeitsprozesse auch an nicht immer vorhersehbare Umstände angepasst oder bei Bedarf veränderbar sein sollten, um größtmögliche Lieferengpässe und Umsatzeinbußen zu vermeiden. Wobei, das ist zu betonen, es hier wohl kein Konzept auf Vollkaskobasis gibt. Aber präventive Lösungen dürften diesbezüglich zukünftig eine erste Wahl bleiben. Dies und die Zunahme des „digitalen Handels“, also dem Einkauf von Waren und Dienstleistungen und dem Datenaustausch via Internet, wie auch die Digitalisierung von Arbeitsabläufen haben einen verstärkten Einfluss auf die Immobiliennutzungen und auch die Leerstandsquoten. Besonders „flexible“ Immobilien dürften dabei bzgl. Leerstand weniger Probleme haben.
Bestandsimmobilien und Neubauten mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten würden von den o. g. Entwicklungen besonders profitieren und von Investoren bevorzugt werden. Neubauten können bereits in der Planung auf solche Bedürfnisse zugeschnitten werden, schwieriger gestaltet es sich da bei den Bestandsimmobilien. Beabsichtigte Nutzungsänderungen bedürfen hier einer besonderen Überprüfung, um Investitionen bereits von Beginn an zielgerichtet zu steuern und Kosten einzuhalten. Eine rechtzeitige Prüfung u. a. folgender Punkte kann im Rahmen von beabsichtigten Umnutzungen sehr von Vorteil sein:
- Baubehördliche Anforderungen aus aktuellen Flächennutzungs- und Bebauungsplänen oder einschlägigen Gesetzen, wie z. B. dem Gebäudeenergiegesetz
- Bisherige Baugenehmigungen und Genehmigungen zu vorhandenen Nutzungsänderungen
- Brandschutzkonzepte und diesbezügliche brandschutztechnische Maßnahmen
- Baustatische Elemente und ggf. vorhandene Einschränkungen
- Technische Anlagen hinsichtlich Zustand und ggf. erforderlicher Änderungen und Instandsetzungen
- Aktuelle und zukünftige Betreiberpflichten
- Bisherige vertragliche Verpflichtungen, z. B. hinsichtlich (längerfristigen) Wartungsverträgen, Versicherungen
- Ggf. eine noch bestehende Gewährleistungsverfolgung
- Sonstige Einschränkungen aus bestehenden Mietverträgen
Eine Sichtung und Bewertung der o. g. Punkte liefert bei der Erstellung eines Nutzungskonzepts wesentliche Informationen und unterstützt eine strukturierte Vorgehensweise, eine individuelle Prüfung ist jedoch zwangsläufig erforderlich. Nutzungsänderungen sind in der Praxis oft vielschichtig und keine einfache Transformation von Zuständen. Eine ganzheitliche und qualifizierte Betrachtungsweise kann Entscheidungsprozesse von Beginn an ablaufoptimal und bedarfsorientiert unterstützen.