„VW schafft die Handschaltung ab“. Eine Pressemeldung aus August 2021 dokumentiert die Weiterentwicklung zum automatisierten Fahren. Die Automobilindustrie macht es schon seit längerem in vielen Punkten vor: Der Faktor „Mensch“ rückt weiter in den Hintergrund, die Elektronik ersetzt immer mehr Tätigkeiten und übernimmt sukzessive das Steuer. Ein Neufahrzeug „arbeitet“ meist bereits jetzt schon halbautomatisch, der technische Assistent und Copilot sitzt sozusagen „virtuell“ permanent beim Fahrer. Es wird zwar wohl noch etwas dauern, bis das automatisierte Fahren letztlich in Vollendung stattfindet und Einzug hält, jedoch ist die Entwicklung nicht aufzuhalten. Das könnte dann im Weiteren auch Auswirkungen auf bisherige Lebensgewohnheiten haben, je nach dem, wie der Gesetzgeber die Regeln und Voraussetzungen für das automatisierte Fahren festlegt. Automatisierte Mobilität wird sehr wahrscheinlich zum Standard werden. Wie sieht es aber mit dem technischen Fortschritt und der Automatisierung im immobilen Sektor aus?
Einige Aspekte eines „automatisierten“ Gebäudebetriebs können schnell benannt werden:
- Erhöhung der Sicherheit für den Nutzer, z. B. beim Brandschutz
- Steigerung der Energieeffizienz technischer Anlagen, z. B. durch bedarfsgerechte Steuerung/Regelung
- Verbesserung der Datentransparenz, z. B. durch Fernauslesung von Energieverbräuchen
- Optimierung des Wartungsaufwands, z. B. durch Harmonisierung von Wartungsintervallen
- Reduzierung der Einsatzzeiten von Personal, z. B. durch Ferndiagnose
- Vereinfachung von Prüfungen, z. B. durch implementierte Analyseinstrumente
- Fernsteuerung technischer Anlagen, z. B. bei geänderten Nutzungsbedingungen
- Optimierung der Arbeitsplatzauslastung (Belegungsquote), z. B. bei Büroimmobilien
- Straffung von Umbauzeiten, z. B. durch digitale Dokumentation
- Lebensdauerverlängerung technischer Anlagen, z. B. durch geplante Instandhaltung
- Sonstige Prävention, z. B. technische Lösungen zu Einbruch, Vandalismus o. Ä.
Auf den ersten Blick könnte man vielleicht zu einem ähnlichen Schluss kommen, dass auch die Immobilie in durchaus absehbarer Zeit „automatisiert“ wird. Smart Home und Gebäudeautomation gibt es ja nun schon etwas länger und die Elektrotechnik ist zwischenzeitlich zu einem (sehr) wesentlichen Bestandteil der Haustechnik geworden. Während die spezifische Leistung des Heizkessels aufgrund zunehmendem Wärmeschutz immer geringer wurde, hat die Elektrotechnik weitere Einsatzfelder innerhalb und außerhalb der Immobilie erschlossen. Und insbesondere eine kontinuierliche Zunahme des Einsatzes elektrotechnischer Komponenten und Bauteile ist oftmals gleichbedeutend mit technischem Fortschritt. Eine weitergehende Betrachtung der Vor- und Nachteile des zunehmenden Einsatzes von Elektronik lasse ich hier außen vor, wie z. B. das Thema „Reparierbarkeit und Nachhaltigkeit“.
Natürlich ist ein Vergleich der technischen Ausstattung eines Kfz, wie z. B. eines PKW als „Mobilie“, und einer Immobilie vielleicht zweifelhaft, zumindest erst einmal abstrakt. Jedoch dringen Innovationen aus bestimmten Sektoren oft auch in andere Bereiche vor oder gewisse Standards gleichen sich an, z. B. in puncto Energieeinsparung bzw. Verbrauchsreduzierung oder Sicherheit. Nicht nur bei Energieeinsparung und Verbrauchsreduzierung werden Trends und Standards sowohl bei Mobilien als auch bei Immobilien gleichermaßen gesetzt, auch in puncto Sicherheit sind die Anforderungen höher geworden, wie ABS und Airbag bei Kfz und das Thema Brandschutz bei den Immobilien verdeutlichen. Als Innovationstreiber hat sich insbesondere die Symbiose aus Internet und Elektronik in den vergangenen zwei bis nahezu drei Jahrzehnten zweifelsfrei erwiesen. Die eine oder andere Parallele zwischen Mobilien und Immobilien lässt sich erkennen und abstrahieren. Dennoch ist die Überschrift des Beitrags auch durchaus symbolischer Natur, und hat mich veranlasst, Weiteres in diesem Kontext zu hinterfragen.
Eine deutliche Zunahme der Implementierung elektronischer Komponenten im mobilen Sektor (hier i. W. Kfz bzw. PKW) hat in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden. Neben elektronischer Zündung und Einspritzanlage sind Bordcomputer und Navigationssystem durchweg zum Standard geworden, um einige Wesentliche aus dem Kfz-Bereich zu nennen. Insbesondere die kontinuierliche Implementierung zusätzlicher technischer Features scheint im Automobilbereich ganz selbstverständlich zu sein, denn ein Auto kann ja auch ohne Bordcomputer und Navigationssystem betrieben werden. Wirklich kritisch hinterfragt wird diese permanente Technisierung schon länger nicht mehr. Statistisch gesehen hat sich das Durchschnittsalter der PKW in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht, es liegt mit aktuell 9,8 Jahren noch gerade unter 10 Jahren. Das Produkt „PKW“ wird offenbar länger genutzt als früher und ist als Oldtimer ein schützenswertes Kulturgut geworden, ähnlich wie eine denkmalgeschützte Immobilie.
Für einen Vergleich zur Technisierung und zum technischen Fortschritt im immobilen Sektor lohnt sich eine genauere Betrachtung der Baujahre und auch des Sanierungsstands. Aufgrund eines i. d. R. größeren Investitionsbedarfs bei Immobilien und deren Individualität hinsichtlich ihrer Beschaffenheit erscheint eine „erweiterte“ Betrachtung sinnvoll. Denn dies gibt Hinweise u. a. zum aktuellen technischen Zustand der Immobilien, so dass für den relevanten Immobilienbestand mit unterschiedlichen Baujahren und Nutzungen eine Einschätzung getroffen werden kann. Aus verfügbaren Erhebungen und Auswertungen kann man Folgendes entnehmen:
Das Alter der Immobilien
Zum Alter der Immobilien können folgende Zahlen recherchiert werden:
Wohnungen (aus Angaben des Statistischen Bundesamts, gerundet)
ca. 42,8 Mio. Wohnungen in Deutschland insgesamt
- ca. 25,5 % davon sind vor 1948 fertiggestellt
- ca. 41,2 % davon wurden im Zeitraum zwischen 1949 bis 1978 fertiggestellt
- ca. 12,4 % davon wurden im Zeitraum zwischen 1979 bis 1990 fertiggestellt
- ca. 16,1 % davon wurden im Zeitraum zwischen 1991 bis 2010 fertiggestellt
- ca. 4,8 % davon wurden seit 2011 fertiggestellt
Nichtwohngebäude (aus Angaben der Forschungsdatenbank Nichtwohngebäude, gerundet)
ca. 21,5 Mio. Nichtwohngebäude existieren in Deutschland insgesamt
Bei den Nichtwohngebäuden sind beheizte und/oder gekühlte Gebäude im Rahmen der Bewirtschaftung von besonderem Interesse. Hierzu können folgende Zahlen recherchiert werden:
ca. 2 Mio. Nichtwohngebäude sind beheizt und/oder gekühlt
- ca. 27,5 % davon sind vor 1957 fertiggestellt
- ca. 30,5 % davon wurden im Zeitraum zwischen 1958 bis 1978 fertiggestellt
- ca. 19 % davon wurden im Zeitraum zwischen 1979 bis 1994 fertiggestellt
- ca. 19 % davon wurden im Zeitraum zwischen 1995 bis 2009 fertiggestellt
- ca. 4 % davon wurden seit 2010 fertiggestellt
Sowohl bei den Wohnungen als auch bei den relevanten Nichtwohngebäuden ist zu erkennen, dass jeweils über die Hälfte des Bestands vor 1978, also noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung, errichtet worden ist. Somit ist derzeit über die Hälfte des Gebäudebestands (deutlich) älter als 43 Jahre.
Der Sanierungsstand
Neben dem Baujahr kann der Sanierungsstand als ein wesentlicher Indikator gelten, der Anhaltspunkte zur (technischen) Beschaffenheit einer Immobilie macht. Ein wesentlicher Bestandteil von Sanierungen, welche in der Vergangenheit durchgeführt worden sind, betraf den Austausch von Heizkesseln und Außenfenstern sowie ggf. Lüftungs-/Klimaanlagen. Ein solcher Sanierungsstand würde als „teilsaniert“ angesehen werden, wobei die hier verfügbaren Daten sich i. W. auf die energetischen Sanierungen beschränken. Verlässliche Aussagen zu Sanierungen sonstiger technischer Anlagen oder eines weitergehenden Einsatzes von Automatisierungskomponenten konnten bislang noch nicht recherchiert werden. Somit werden die verfügbaren Angaben zur (energetischen) Sanierungsquote herangezogen, um Zustand und Ausstattung des Immobilienbestands mit hinreichender Näherung besser einzuschätzen zu können. Die Zahlen zum Sanierungsstand von Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden dürften dabei lt. Expertenmeinung ähnlich sein, so dass zum Sanierungsstand aller Gebäude mit guter Näherung eine brauchbare Aussage gemacht werden kann.
Eine Aussage zum durchschnittlichen Sanierungsstand von Wohngebäuden mit Baujahr ab 1995 ist einer Studie des Umweltbundesamts mit der Bezeichnung „Wohnen und Sanieren“ aus dem Jahr 2019 (Kap. 3.1.1 sowie 3.2.3) zu entnehmen. Hier werden folgende Angaben gemacht:
Unsaniert Teilsaniert Vollsaniert und Neubau
35,9 % 51,4 % 12,7 %
Unter Berücksichtigung der o. g. Zahlen dürfte die Quote der „unsanierten Altbauten“ bei ca. 15,35 Mio. Wohnungen liegen. Unsaniert bezeichnet in der vorgenannten Publikation, dass keine Energiesparmaßnahmen durchgeführt wurden. Aufgrund der Vorgaben aus der (ehemaligen) Energieeinsparverordnung, u. a. zur zulässigen Betriebsdauer von älteren Heizkesseln, erscheint dieser Wert recht hoch. Dennoch zeigen die vorgenannten Daten zu Durchschnittsalter und Sanierungsstand, dass bei den Immobilien noch sehr viele „Oldtimer“, unsaniert und mit Sicherheit auch ohne Denkmalschutz, in Betrieb sind. Bei der Umsetzung des technischen Fortschritts und dem Einsatz technischer Features scheint der Bestand der (motorisierten) Mobilien einen deutlichen Vorsprung zu besitzen, unabhängig von der Berücksichtigung einer etwaigen Investitionshöhe für Anschaffung oder Modernisierung.
Eine Betrachtung der Anteile von Old- und Youngtimern im Kfz- Bereich verdeutlicht dies:
Oldtimer, also Kfz älter als 30 Jahre, haben einen Anteil von ca. 2 % (i. W. „denkmalgeschützt“)
Youngtimer, also Kfz zwischen 15 und 29 Jahre alt, haben einen Anteil von ca. 18 %
Alle anderen Kfz sind unter 15 Jahre alt und haben einen Anteil von ca. 80 %
Im übertragenen Sinn könnte man die Quote von ca. 80 % Kfz, die unter 15 Jahre alt sind, annähernd mit dem Sanierungsstand „Vollsaniert und Neubau“ bei Wohngebäuden vergleichen, s. oben. Es existieren offenbar wesentliche Unterschiede zwischen Mobilien und Immobilien, u. a. hinsichtlich des adäquaten Alters und entsprechender technischer Ausstattung. In diesem Zusammenhang zitiere ich auch gerne den Werbeslogan einer deutschen Automarke „Vorsprung durch Technik“.
Im Gegensatz zum automatisierten Fahren dürfte ein „automatisierter“ Gebäudebetrieb damit auch zukünftig noch eher die Ausnahme sein, Technisierung und technische Features im Immobilienbereich haben es deutlich schwerer, zu einem Standard zu werden. Auch wenn das Potenzial sicher groß ist. Aber was ist tatsächlich sinnvoll? Und wie sollte eine Transformation dann ablaufen?
Sicher ist, dass auch der weitere Fortschritt und innovative Lösungen die Immobilie immer mehr betreffen werden und damit auch die Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Vorreiter waren in der Vergangenheit einzelne Maßnahmen zur Einsparung von Energie (Heizenergie, Elektrizität) und Ressourcen (i. W. Wasser). Eine Vernetzung der technischen Anlagen mit weitreichenden Funktionen, die über Messen, Steuern, Regeln hinausgehen und insbesondere Datentransparenz erhöhen, Personaleinsatz reduzieren und eine Bedienung der Anlagentechnik komfortabel machen, ist erst mit der zunehmenden Nutzung von IT und Internettechnologie möglich geworden. Dies bietet i. d. R. vor allem für den Betrieb größerer Immobilien entscheidende wirtschaftliche Vorteile, da die Kosten für Energie und Personal nicht mehr zu vernachlässigen sind. Jedoch sollte die Sinnhaftigkeit technischer Investitionen bei Immobilien durchaus differenzierter betrachtet werden. Nicht jede Innovation ist für eine Umsetzung lohnenswert. Auch ein vergleichsweiser technologischer Rückstand muss nicht zwingend vollumfänglich aufgeholt werden. Hier lohnt sich eine genauere Betrachtung im Einzelfall. Eine Immobilie ist i. d. R. immer noch ein individuelles „Produkt“, das eine ebensolche Betrachtungsweise erforderlich macht.
Die gesunde Basis zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit einer Immobilie bildet eine ganzheitliche Bestandsaufnahme; im Neubaubereich ist eine entsprechende Bedarfsplanung sinnvoll. Aufbauend auf der Bestandsaufnahme folgt eine geplante Instandhaltung, die den Einstieg in einen „automatisierten“ Gebäudebetrieb möglich macht und durch eine umfängliche Betrachtungsweise Einsparpotenziale aufzeigt und schrittweise sinnvolle Verbesserungen implementiert, die i. d. R. zusammen mit weiteren Maßnahmen die strategische Weiterentwicklung der Immobilie darstellen.
Eine Umstellung von Handschaltung auf Automatikgetriebe dürfte somit vorerst den motorisierten Mobilien vorbehalten sein, der Faktor „Mensch“ bleibt der Immobilie bei Bau und Betrieb auch zukünftig b. a. W. erhalten. Jedoch zeigt sich am Beispiel des Kfz-Bestands und dessen technischer Ausstattung in abstrakter Weise, was möglich ist und dass das Potenzial für Optimierungen im Immobilienbereich sicherlich groß ist. Eine strukturierte Vorgehensweise kann helfen, den technischen Abstand von Mobilie und Immobilie zeitgemäß und bedarfsgerecht zu verringern.