Leben – Wohnen – Arbeiten

Der letzte Blogbeitrag ist schon etwas her und es hat sich seitdem viel getan. Corona hat so einiges verändert, nicht nur den Alltag. Ob Veränderungen von Dauer sind oder das ganze System sich nach dem Abklingen der Pandemie wieder in den Ursprungszustand versetzt; es bleibt abzuwarten. In meinen älteren Beiträgen wurden öfters Punkte erwähnt, die die Bau- und Immobilienbranche oder Randbereiche davon betreffen und aktuell oder zukünftig Einfluss auf Entwicklungen haben oder haben könnten. Das sind natürlich auch Themen, die mich selbst betreffen oder die es aus meiner Sicht wert sind, angesprochen zu werden, um darüber hinaus Assoziationen zu bilden, die ggf. zu weiteren Erkenntnissen führen können.

Ein Paradebeispiel aus den vergangenen Jahren für die Umsetzung von teils vielleicht abstrakt anmutenden Visionen und Assoziationen ist für mich Google, die neben der eigentlichen Suchmaschine neue Dienste entwickelt haben, die verschiedene Elemente miteinander verbinden und somit Produkte generiert haben, die innerhalb kurzer Zeit zu einem Standard geworden sind, wie z. B. Maps. Bei Maps ist es ja auch so, dass die darin integrierten Elemente nicht in direktem Zusammenhang miteinander stehen, sondern sich das Ganze nach einem Baukastensystem immer weiter entwickelt. Eigentlich hatte eine Karte im ursprünglichen Sinn ja nur die Funktion, die Erdoberfläche abzubilden und die räumliche Orientierung zu Lande und zu Wasser zu erleichtern. Die Implementierung weiterer Eigenschaften, wie z. B. von Rezensionen und Öffnungszeiten von Restaurants, steht nicht in direktem Zusammenhang zur ursprünglichen Funktion, sondern ist schon etwas „abstrakter“. Nicht selten habe ich mich gefragt, was machen die da jetzt und was soll das bringen? Ich zumindest habe den Sinn und Zweck oft erst später erkannt, es war nicht immer einfach vorhersehbar.

Durchaus wahrscheinlich ist, dass ein solches Muster zunehmend viele andere Bereiche betreffen wird, wo aus Visionen und abstraktem Denken dann Assoziationen entstehen, die ein Produkt mit einem (praktikablen) Mehrwert generieren, das vielleicht zu einem „Standard“ wird. Die vorgenannten Erläuterungen waren u. a. Gründe dafür, warum ich mich in einigen bisherigen Beiträgen mit Themen wie z. B.:

  • Digitalisierung,
  • Dezentralisierung,
  • Individualisierung und
  • Reurbanisierung

beschäftigt habe. Auch deshalb, um etwas besser Entwicklungen reflektieren zu können, gewisse Punkte einmal auf’s „Papier“ zu bringen und Ideen und Gedanken weiter zu tragen. Daran möchte ich im Folgenden und auch in zukünftigen Beiträgen gerne ansetzen.

Seit Beginn der Pandemie haben in Deutschland die Digitalisierung und Dezentralisierung eine Dynamisierung erfahren, die Reurbanisierung hingegen wurde wahrscheinlich vorerst etwas abgebremst. Homeoffice oder mobiles Arbeiten als zeitgemäße Kombination aus Digitalisierung und Dezentralisierung sind nun offenbar „Standard“, zentrale Stadtrandlagen und auch ländlichere Regionen mit guter Infrastruktur, Platz und viel Grün, werden verstärkt als Wohnsitz gesucht. Auch das mobile Wohnen, das ortsunabhängige Arbeiten und individuelle Lebenskonzepte, Stichworte wie „Vanlife“, „Tiny House“, „digitale Nomaden“, „Sharing“ o. Ä., haben viel Bewegung in den für Menschen so wichtigen Themenbereich „Leben – Wohnen – Arbeiten“ gebracht, dessen Struktur und Erscheinung jahrzehntelang doch eher „festgefahren“ war, vor allem auch in Deutschland. Diese Trägheit, vielleicht ist auch „Stagnation“ die bessere Bezeichnung, hatte schon vor einiger Zeit die Baubranche mit sinkenden Umsatzzahlen verspürt, der Spruch „Sei schlau, geh‘ zum Bau“ wurde öfters belächelt, es gab lange Zeit nur vereinzelte regionale Lichtblicke in diesem Markt, Bau- und Handwerksunternehmen fanden keine Nachfolger oder mussten schließen, viele Unternehmen sahen insbesondere auch CO2-Einsparung, Energiewende und Nachhaltigkeit als „Rettungsanker“, die Zufriedenheit der Branche mit der wirtschaftlichen Situation war zweifelhaft. Seit einigen Jahren nun hat sich die Situation komplett geändert. Die Branche wird nicht nur angetrieben von den mittlerweile klassischen Themen wie Energie, Klima und Instandsetzungsstau, sondern es sind Entwicklungen wie die oben genannten, von Digitalisierung bis Reurbanisierung, hinzugekommen, die wahrscheinlich nicht alle auf der Rechnung hatten und die der aktuelle Stand der Dinge und die mittlerweile eher überwiegende Zufriedenheit der Branche wohl selbst etwas überrascht. Und es scheint so, als würde sich das Ganze noch eher „dynamisieren“ und den Bau- und Immobilienbereich beeinflussen und auch weiter verändern. Technologische Entwicklungen, deren Umsetzungen bevorstehen oder an denen tatkräftig gearbeitet wird, wie z. B. flächendeckendes 5G-Netz, autonomes Fahren, virtuelle Realität, dürften zu weiteren Veränderungen führen, die Einfluss auf zukünftige Entwicklungen haben. Auch eine Berücksichtigung bisher eher „seltener“ Verkehrsmittel, wie z. B. Seilbahnen, könnte zu neuen Möglichkeiten führen. Wie das dann alles in 10, 20 oder 30 Jahren aussehen wird, ist aktuell (noch) nicht genau vorhersehbar. Vor allem für die Bau- und Immobilienbranche dürfte dies alles sehr spannend sein, da Mobilität und Immobilität nicht differenziert betrachtet werden können und auch andere (technologische) Entwicklungen „Richtungsänderungen“ hervorrufen. Konzepte dürften dann besonders erfolgreich sein, wenn sie den Gegensatz „mobil – immobil“ vereinen sowie zusätzliche Aspekte vor allem in puncto „Lebensqualität“ und individuelle „Lebensgestaltung“ berücksichtigen und Nachhaltigkeit und Naturschutz dabei nicht vergessen werden. Und da könnte es tatsächlich in vielen Fällen unwichtiger sein, ob man dann in zentraler Innenstadtlage residiert oder in einer zentralen Randlage. Innovationen in diesem Spannungsfeld sind dann sicherlich sehr gefragt, die Ansprüche an Raumplanung und Projektentwicklung dürften zukünftig noch wachsen. Der „Blick über den Tellerrand“ wird für jede Fachdisziplin daher immer zwingender, wie die vergangenen Entwicklungen gezeigt haben.

Der Fernsehsender Arte hat sich im September 2020 in der Sendereihe „Square“ u. a. mit diesen Themen befasst und hinterfragt die Zukunft von Megastädten und städtischen Entwicklungen. Der Beitrag erläutert Zusammenhänge, blickt auf verschiedene Szenarien heute und ggf. in der Zukunft. So wird z. B. eine Verstädterung der Rand- bzw. Vorstadtbereiche prognostiziert, die dann ein besseres Gleichgewicht von „Leben – Wohnen – Arbeiten“ in einem angenehmeren Umfeld bieten werden und der zentralen Innenstadtlage vielleicht den Rang ablaufen oder in der Gunst zumindest gleichauf rangieren. Auch sollen gute bzw. zentral gelegene ländlichere Regionen im Zuge des weiteren technologischen Fortschritts wieder zunehmend an Attraktivität und Bedeutung gewinnen. Auch der Sender 3Sat hat sich in der Sendereihe „makro“ in den vergangenen Monaten verstärkt mit diesen Themen befasst.

Sicherlich sind für diesen Themenbereich auch noch weitere Punkte interessant oder erwähnenswert, jedoch bin ich überzeugt, dass der ehemals eher etwas „träge“ Bau- und Immobilienbereich vor großen Herausforderungen und dynamischen Entwicklungen stehen wird.

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